Einer „wilden Ansiedlung von Häusern“ im frühen 16. Jahrhundert verdankt der Markt Wildflecken im unterfränkischen Landkreis Bad Kissingen seinen Namen. Fast 500 Jahre später ist aus der wilden Siedlung ein Kleinod geworden, das nicht nur auf spannende Etappen der jüngeren Geschichte zurückblickt, sondern auch Teil des länderübergreifenden UNESCO-Biosphärenreservats Rhön ist. Ein Ort mit einer spannenden Vergangenheit und den besten Voraussetzungen für die Zukunft.
Beinahe wäre die Entstehung Wildfleckens damals im 16. Jahrhundert im Keim erstickt worden. Nachdem 1524 mit Erlaubnis des damaligen Forstmeisters Dietz von Rotenkolben unterhalb der Sinnquelle eine Siedlung gebaut werden durfte, verlangte bereits 14 Jahre später Bischof Conrad von Bibra die Einstellung der Rodungen und den Abriss der Häuser. Der Beginn eines Streites, der ganze 50 Jahre andauern sollte und 1588 schließlich beendet wurde. Die damals 294 Einwohner große Siedlung blieb und wuchs von da an kontinuierlich.
Seiner einzigartigen Lage in der südlichen Rhön und der wunderschönen Landschaft verdankt Wildflecken seinen ersten wirtschaftlichen Aufschwung zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Immer mehr Menschen entdeckten die Rhön als Urlaubsziel und lernen den Erholungseffekt der abwechslungsreichen Natur kennen und schätzen. Vor allem mit der Inbetriebnahme der Sinntalbahn am 1. Dezember 1908 bekam der Fremdenverkehr in und um Wildflecken einen spürbaren Aufschwung. Zu jeder Jahreszeit kamen nun Gäste aus dem ganzen Bundesgebiet in die Rhön, um diese entweder beim Wandern oder beim Wintersport zu erkunden.
Elvis zu Gast in Wildflecken
Der wohl größte Meilenstein der Wildfleckener Geschichte ist jedoch ohne Zweifel im Jahr 1938 anzusiedeln. Bereits ein Jahr vorher begann der Bau eines großzügigen Truppenübungsplatzes für 9.000 Soldaten und 1.500 Pferde, der schließlich im Februar 1938 in Betrieb genommen wurde. Für die Gemeinde mit damals 500 Einwohnern ein Ereignis, das die Geschichte, die Struktur und den damaligen Alltag Wildfleckens komplett veränderte. So erlebte nicht nur die Gemeindegröße einen sprunghaften Anstieg. Auch die heimische Wirtschaft wurde – nicht zuletzt aufgrund der neuen Munitionsanstalt (Muna) am Fuße des Kreuzberges – deutlich angekurbelt.
Das große Glück für Wildflecken: Nach Ende des Zweiten Weltkriegs erkannten die USA die strategisch günstige Lage des Truppenübungsplatzes und übernahmen die Garnison 1951. Damit begann ein neues und vor allem aufregendes Kapitel der Wildfleckener Geschichte, das die Gemeinde in den folgenden über vier Jahrzehnten nachhaltig geprägt hat. Dem deutsch-amerikanischen Miteinander bis zum Abzug der US-Truppen 1994 verdankt die Gemeindegeschichte nicht nur berühmte Gäste wie Elvis und Shaquille O’Neal. Durch den Truppenübungsplatz und die 1965 erbaute Rhön-Kaserne entwickelte sich in Wildflecken ein internationales und weltoffenes Flair, das bis heute spürbar ist. Unter anderem auch dadurch, dass die Anlage heute eines der modernsten Gefechtssimulationszentren beherbergt und daher regelmäßig NATOTruppen aus aller Welt in Wildflecken zu Gast sind.
Heimat des Biosphärenzentrums
Die Lücke, die der Abzug der US-Streitkräfte 1994 hinterließ, konnte Wildflecken bereits zwei Jahre später ein Stück weit füllen. Das ehemalige Schulgebäude des Ortsteils Oberbach wurde 1996 zum Informationszentrum „Haus der Schwarzen Berge“ des UNESCO-Biosphärenreservats Rhön umgebaut, in dessen südlichem Teil der Markt Wildflecken liegt. Sowohl für Einheimische als auch für Touristen und Schulklassen bietet das Informationszentrum mit integrierter Umweltbildungsstätte eine Fülle an spannenden Fakten über die Artenvielfalt der Bergwiesen und die Entstehung der Kulturlandschaft Rhön.
Und auch die touristische Anziehungskraft der Region rund um Wildflecken ist während der letzten 100 Jahre erhalten geblieben. Wie damals zieht es auch heute das ganze Jahr über vor allem begeisterte Wanderer, Mountainbiker und Wintersportler hierher, die sowohl die Vielfalt als auch die Besonderheiten des Freizeitangebots zu schätzen wissen. So wurde beispielsweise die alte Bahntrasse der Sinntalbahn, die damals die Sommerfrischler nach Wildflecken brachte, zu einem einzigartigen Erlebnis- und Themenradweg ausgebaut.
Wander- und Winterparadies Rhön
Wer die Schönheit der Rhön zu Fuß erleben möchte, hat definitiv die Qual der Wahl. Allein um Wildflecken stehen neun Rundwanderwege zur Auswahl und das Wanderroutennetz des Rhönklubs umfasst nicht weniger als 5.000 Kilometer – darunter auch der Hochrhöner, ein 175 Kilometer langer Fern- und Premiumwanderweg, der fast vollständig durch das Biosphärenreservat führt. Ein Wandererlebnis der besonderen Art lockt zudem jedes Jahr Ende Juli mehrere 1.000 Teilnehmer nach Wildflecken. Der Grund: Die jährlichen Volkswandertage bieten die einmalige Gelegenheit, das Gelände des Wildfleckener Truppenübungsplatzes zu erwandern und die dortige unberührte Natur zu bewundern.
Grün im Sommer, schneebedeckt im Winter – die Mittelgebirgslandschaft rund um Wildflecken hat sich bereits in den 1920ern auch als Wintersportgebiet einen Namen gemacht. Die Dammersfeldkuppe, mit 928 Metern der höchste Berg der bayerischen Rhön, ist beispielsweise bei Skiwanderern sehr beliebt. Aber auch wer snowkiten, Ski fahren, Langlaufen oder Winterwandern möchte, ist hier genau richtig.