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Es war einmal…

  • Wissenswertes

Mythen und Sagen aus Unterfranken – Teil 5

Gemeinsam am Feuer sitzen und sich unterhaltsame oder auch manchmal schaurige Geschichten erzählen – solche Szenen kennt man heutzutage eher aus Filmen. Doch geht man ein paar Jahrhunderte zurück, gehörten solche Zusammenkünfte tatsächlich zum alltäglichen Leben der Menschen. Statt Fernsehen und Büchern gab es Sagen und Mythen – und davon unter anderem auch in Unterfranken so viele, dass es für eine fünfte Ausgabe dieser Reihe ausreicht.

Das Gesicht im Main

Zwei Schiffsknechte aus Schweinfurt hatten einst auf dem Main eine unheimliche Begegnung. Der Schnee war geschmolzen und der Fluss führte Hochwasser. Ein Schweinfurter entschied, seine Schiffe leer nach Bamberg zu schicken, um sie dort mit Getreide für Mainz zu beladen. Zwei Frachtschiffe waren bereits mit der wertvollen Ladung beladen. Plötzlich setzte Frost ein, sodass man Treibeis befürchten musste. Deshalb sollten die beiden beladenen Schiffe so schnell wie möglich zumindest nach Schweinfurt zurückgebracht werden. Zwei mutige Schiffsknechte erklärten sich bereit, diese gefährliche Reise anzutreten. Die beiden Boote wurden zusammengekoppelt und die Knechte fuhren noch am Abend von Bamberg ab. Die Fracht war so schwer, dass die Ränder der Schiffe nur handbreit über dem Wasserspiegel lagen. Schnell und ruhig glitten sie flussabwärts. Einer der Schiffer stand aufmerksam am großen Steuer und blickte nach vorn. Inzwischen war es vollständig Nacht geworden. Schwarze Wolken jagten über den Himmel und nur ab und zu kam der leuchtende Mond zum Vorschein. Sein weißes Licht funkelte auf den trüben Wellen. Es herrschte unheimliche Stille. Nur das Rauschen des Wassers und das gelegentliche Knarren des Steuerruders waren zu hören.

Stunde um Stunde verging. Schließlich schlug die Turmuhr eines nahegelegenen Dorfes Mitternacht. Langsam hallten die zwölf Schläge durch die Nacht. Kaum waren sie verklungen, da entdeckte der aufmerksame Steuermann neben seinem Schiff etwas Schreckliches in den Fluten. Vor Angst bleich, machte er seinen Kameraden auf die gespenstische Erscheinung im Wasser aufmerksam: Beide sahen unter der Wasseroberfläche das hell erleuchtete Gesicht eines Menschen, der seine gefalteten Hände flehend erhob, als wolle er die Schiffer um Hilfe bitten. Allmählich kam das Gesicht dem Schiff immer näher. Die beiden Schiffsknechte wagten es kaum, sich zu rühren, so sehr waren sie von Angst erfüllt. Dies erwies sich als ihr Glück. Eine volle Stunde verging, bis das Gesicht mit dem ersten Glockenschlag wieder in den kalten Fluten verschwand. Als der Morgen dämmerte, erreichten die verängstigten Schiffer wohlbehalten ihre Heimatstadt und erzählten dort von ihrem Erlebnis.

Die Fischer berichteten ihnen: Zur Zeit der Franzosenkriege, als fremde Truppen auf Mainz zumarschierten und alles von Wert plünderten und raubten, ließ der Erzbischof von Mainz das Silber aus dem Dom in Kisten verpacken und auf Schiffe laden. Der kostbare Schatz sollte den Main aufwärts gebracht und im Dom zu Bamberg versteckt werden. Kurz vor Bamberg versenkten jedoch zwei habgierige Schiffsknechte einige der wertvollen Kisten im Main, um sie später für sich zu bergen. Bald darauf erreichten auch die Franzosen den oberen Main und sollen einen der Schiffsknechte gefangen genommen haben. Da er nicht verriet, wo die Kisten des Mainzer Erzbischofs versteckt waren, wurde er von den Soldaten getötet. Seitdem zeigte sich sein Geist oft nachts auf dem Main den vorbeifahrenden Schiffern und bat sie um Erlösung. Jahre später beichtete der andere Schiffsknecht kurz vor seinem Tod als uralter Mann den Diebstahl. Danach wurde das Gesicht im Main nie wieder gesehen.

Im Gerichtswald

Ein Mann aus Edelbach machte sich in der Adventszeit auf den Heimweg vom Eicherhof. Auf seinem Weg musste er durch einen Wald gehen. Als er diesen betreten wollte, hörte er aus der Ferne das Schallen von Hörnern und Jagdgeschrei. Er drehte sich um, konnte aber niemanden sehen.

Der Jagdlärm kam jedoch schnell näher: Peitschen knallten, Jagdrufe erschallten, und das Klirren von Schellen war zu hören. Da blickte der Edelbacher nach oben und sah mehrere Männer in Jägerkleidung durch die Lüfte reiten: Adlige Herren, Grafen und Fürsten, bewaffnet und mit Hunden.

Der Mann dachte sich seinen Teil und beschleunigte seinen Schritt. Doch erzählte er niemandem, was er gesehen hatte. Im folgenden Jahr ging er zur gleichen Zeit denselben Weg erneut. Wieder hörte er den Lärm in der Luft. Er blickte auf und sah die gleiche Jagdgesellschaft: Vornehme Grafen und Fürsten auf schnellen Pferden, begleitet von bellenden Hunden. Dem Edelbacher wurde unheimlich und er eilte nach Hause. Einige Tage später besuchte er einen Einsiedler und berichtete ihm, was er gesehen hatte. Der Einsiedler erklärte, dass einst mehrere Fürsten und Grafen an einem Sonntag in Meerholz versammelt waren. Anstatt in die Kirche zu gehen und Gott zu ehren, waren sie mit lautem Getöse auf die Jagd gegangen. Nun müssten sie jedes Jahr am selben Tag rastlos durch die Lüfte jagen, bis ihre Sünde gesühnt wäre.

Der Knabe und die Kupfermünzen

In der Zeit, als das Pfarrhaus und die Kirche von Mömbris noch an dem Ort standen, wo sich heute der Friedhof befindet, entlief eines Tages eine Henne aus dem Pfarrhaus. Ein Junge rannte ihr hinterher, um sie einzufangen. Die Henne schlüpfte jedoch durch eine Öffnung in der Mauer der nahegelegenen Burgruine. Der Junge kroch hinterher, aber statt der Henne entdeckte er ein kleines Männchen, das drei Truhen voller Geld bewachte. In der ersten Truhe befand sich glänzendes Gold, in der zweiten funkelndes Silber und die dritte war mit Kupfermünzen gefüllt. Das Männchen fragte den Jungen, welche Münzen er bevorzugen würde. Der Junge zeigte auf die Truhe mit den Kupfermünzen. Da sagte das Männchen: „Junge, das war dein Glück. Hättest du Gold oder Silber gewählt, wärst du gestorben. So jedoch hast du mich von einem schweren Fluch befreit und darfst dir so viel Geld nehmen, wie du möchtest.“ Der Junge kehrte reich beschenkt nach Hause zurück. Vom Männchen jedoch fand man trotz eifriger Suche bis heute keine Spur mehr.

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© Pixabay/Ghinzo